Samstag, 13. Februar 2010
Happy Newyear – Die Zweite
Der Ochse geht, der Tiger kommt.
Am Sonntag beginnt das neue (chinesische) Jahr. Und auch hier in der Metropole Shanghai ist dieser Jahreswechsel noch heute der Wichtigere. Direkt an Neujahr schließt sich das Frühlingsfest an und große Teile der arbeitenden Bevölkerung haben frei.
Was bedeutet nun Chinese Newyear für den Chinesen?
Das bedeutet in erster Linie, das Zusammentreffen mit der Familie. Man könnte dieses Fest auch als ‚Weihnachten und Silvester fällt auf einen Tag’ bezeichnen. Am Newyear's Eve gibt es ein opulentes Familiendinner mit anschließendem lauten Geböllere, um das neue Jahr zu begrüßen. In den folgenden Tagen trifft man dann weitere Verwandte und Freunde, die man aufgrund der Weite des Landes vielleicht lange nicht gesehen hat.
Chinese Newyear bedeutet aber auch, dass der Chinese nicht in seiner alten Klamotte in das neue Jahr starten darf. Egal wie arm er und wie gut die alte Hose ist, zu Silvester muss eine neue her.
Chinese Newyear bedeutet zudem Geschenke machen. Wie bei uns Weihnachten gibt es auch hier den Brauch den Lieben eine Aufmerksamkeit zu machen. Ob es sich hierbei um Naturalien, einen Täschchen vom Fakemarket oder das echte Meisterstück von Montblanc handelt, ist geldbeutelabhängig.
Letztenendes bedeutet Chinese Newyear aber auch, abzuwägen ob man gewisse Dinge noch schnell dieses Jahr erledigt oder auf das nächste Jahr verschiebt, weil hier das Tierkreiszeichen mehr Glück verspricht. So hat ein Kollege von Gustav noch schnell diese Woche geheiratet, weil seine Oma meint, wer im Jahr des Tigers Hochzeit feiert, dem läuft die Frau wieder weg.
Was bedeutet nun Chinese Newyear für uns Expats?
Um es kurz zu fassen: Lieber schnell das Land verlassen!
Tatsächlich sind fast alle Ausländer zu dieser Zeit auf Heimaturlaub oder in den sonnigeren Gefilden Südostasiens zu finden.
Chinese Newyear heisst nämlich, schon zwei Wochen vorher geht verkehrstechnisch gar nichts mehr. Besonders zu Stoßzeiten sind U-Bahnen brechend voll und Taxen Mangelware. Wer da nicht die Ellbogen einsetzt, ist selber Schuld....
Neben den Verkehrsmitteln sind natürlich auch Supermärkte und sonstige Shops überlaufen (zur Erinnerung: der Chinese braucht Geschenke und neue Klamotten). Hinzu kommt, dass zu dieser Zeit sowieso gerade Winterschlussverkauf angesagt ist.
Chinese Newyear heisst aber auch für die zumeist männlichen, arbeitenden Expats ein fröhliches Firmendinner (oder besser Gelage...). So auch für Gustav. Im Gegensatz zu deutschen Weihnachtsfeiern gibt es hier meist eine Tombola (der glückspielliebende Chinese braucht schließlich einen Anreiz). Das Essen erfolgt traditionell am Tisch mit Drehteller. Begonnen wird hier in Shanghai mit leicht modderigem Flussfisch und das Ganze endet mit Kuchen, dekoriert mit schwulem Schwan aus Rettich. Die chinesischen Tischsitten gebieten es, das alkoholische Glas nie allein, sondern nur mit Zuprosten des Nachbarn oder am besten gleich des ganzen Tisches zu erheben. Der Trinkspruch ‚Ganbei’ gibt sogleich das Tempo vor, denn er bedeutet ‚bottle up – dry the glass’! Das macht man dann ein paar Mal und freut sich, dass es nur Tsingdao in der Lightversion gibt. Sobald der Drehtisch einigermaßen leer gefuttert ist, begibt man sich auf den Weg zu den Nachbartischen und wiederholt die Ganbei-Prozedur und wehe dem 'laowai' (Ausländer) der die (mindestens) 5000 Jahre alten chinesischen Sitten nicht einhält! Zum Abrunden des Abends geht es dann zum obligatorischen Karoake in die kuscheligen Separes der KTV-Bar, ausgestattet mit bestem BLOSE Surround-System und Mini-Bühne. Hier heisst es dann gefälligst die Stimmlage zu treffen wenn der chinesische Michael Jackson im Videoclip zu ‚Beat It’ durch den Kölner Hauptbahnhof läuft. Als Gast kommt man jedenfalls nicht um seine Gesangseinlage herum und man wird feststellen, dass die Chinesen begeisterte Sänger sind – und manchmal das Bier langsamer trinken sollten – sonst kommt es ein zweites Mal am Abend... In diesem Sinne: Ganbei und Happy Newyear!